Multiple Sklerose

Keine Angst vor Hilfsmitteln – sie beißen nicht!

1. April 2018
Keine Angst vor Hilfsmitteln - sie beißen nicht!

Nein, Hilfsmittel beißen nicht und da ich immer sehr ehrlich zu euch bin, lasse ich jetzt die Katze aus dem Sack.

Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie ich mein erstes Hilfsmittel, meinen Gehstock, bekam und was ich dabei fühlte:

Angst
Unsicherheit
Scham
Abneigung

Genau ich, die als Überschrift heute “Keine Angst vor Hilfsmittel” schreibt. Doch ich möchte euch die Angst nehmen. Deswegen schreibe ich euch heute meine Geschichte und wie sich irgendwann der Schalter in meinem Kopf umlegte.

Hilfsmittel beißen nicht.
Sie tun auch nicht weh.

Aber! Sie sind eine enorme Erleichterung.

Meine erste Begegnung mit einem Hilfsmittel hat mit einem schweren Schub begonnen. Ein Gehstock musste her wenn ich nicht ständig den Boden küssen wollte. Denn meine Beine spielten ein Eigenleben. Ich sprach mit meinem Neurologen darüber. Mit dem Rezept betrat ich das Sanitätshaus in Landau, tunlichst bedacht, dass mich ja keiner sehen würde.
Wie blöd kann man nur sein!? Doch in der heutigen Gesellschaft werden Gehstöcke und Rollatoren mit “alt sein” in Verbindung gebracht; mit Rollstühlen “krank sein”.  So auch in meinem Kopf. Es war einfach so. Heute lache ich darüber.
 

Keine Angst vor Hilfsmitteln - sie beißen nicht!

Der rechte Stock auf dem Foto ist Paulchen, bronzefarben und zusammenfaltbar. Paul, der Zweite, kam  zwei Jahre später dazu. Ich musste den beiden einfach Namen geben. Somit konnte ich leichter mit der neuen Situation umgehen.

Paul, der Erste ist der Kassenstock. Damals konnte man ohne Aufpreis noch die Farbe und das zusammenfaltbare Modell heraussuchen. Heute zahlt man je nach Modell ab 15 Euro drauf. Sportlich von der Fa. Leiki, die eigentlich Walkingstöcke herstellt, ist Paul, der Zweite.
Nach jedem Schub verbannte ich die die Stöcke wieder in den Schrank. Heute aber liegt einer immer griffbereit im Auto. Der andere in der Wohnung. Denn irgendwann remittierten (zurückbilden) die Schübe nicht mehr vollständig und für kürzere Strecken in der Stadt benutze ich sie.
Paul, der Erste ist ideal für die Handtasche und den Koffer, zusammenfaltbar, was Nummer 2 nicht kann. Mittlerweile zog Stock Nummer 3 bei mir ein – grün mit silbernen Glitzermuster, faltbar und passend zu meinen grünen Winterstiefeln. Man fährt ja schließlich auch nicht immer sein Auto bis zum Lebensende. Oder? In Paris wurde ich doch tatsächlich auf meine Kombination in drei Boutiquen angesprochen: grüner Stock und Winterstiefel, schwarze Jacke und Franzosenkäppi, Jeans, schwarze Handtasche. Die Damen meinten: “Trés chic!” Na dann …

 

Hilfsmittel-Paris


Die Jahre gingen ins Land, ein Schub nach dem anderen folgte, mein Laufen wurde unrund und kostete mich Kraft, die Gehstrecke verkürzte sich. Dann kam der Tag, an dem ich mit meinen Kindern Rom buchte. Ein Rollator musste her, da meine Kinder noch zu jung waren, um mich ständig zu stützen. Das kostete mich tatsächlich eine große Überwindung, denn nun fühlte ich mich alt und krank! Doch ohne dieses Hilfsmittel hätte Rom in einem Fiasko geendet. Es war für Rom und sonstige Aktivitäten die richtige Entscheidung!

Übrigens wird der Rollator von der Kasse bezahlt. Da ich kein Kassenmodel wollte ersteigerte ich mir einer bei Ebay. Die Krankenkasse bezahlte den Regelsatz und ich ein paar Euro drauf. Jedem Betroffenen würde ich empfehlen das zu tun, denn die Farbe, Qualität und Ausstattung sind von entscheidender Bedeutung. Informiert euch unbedingt im Sanitätshaus oder im Internet nach den verschiedenen Modellen.

 

Rollator

 
Viele Betroffene sehen in diesem Hilfsmittel eine enorme Erleichterung, denn man kann sich jederzeit setzen und ausruhen. Außerdem ist eine Tasche oder Korb am Rollator befestigt, indem man seine Handtasche oder Jacke kleinere Einkäufe verstauen kann.

Leicht zusammenklappbar zum transportieren sind sie auch. Wenn man auf Reisen auf einem Flugplatz oder Bahnhof unterwegs ist, klappt man ihn zusammen und rollt ihn vor sich her und kann dann leichter einen Koffer hinter sich herrollen. Denn nicht jeder hat eine Begleitung dabei.

 

 

Heute sieht die Sache schon anders aus. Die Gehstrecke ist an manchen Tagen weit unter 1000 Metern, jeder Schritt wird zur Herausforderung. Große Events, wie Konzerte, sind ohne Rolli nicht mehr zu bewältigen. Die Vernunft hat gesiegt und die Vorzüge eines solchen Hilfsmittel. Denn nun habe ich mehr Kraft länger durchzuhalten, ermüde auch mental viel später, da ich nicht mehr all meine Kraft in die Beine stecken muss.
 
Der erste Rolli vor 7 Jahren wurde mir von eine Reha-Klinik empfohlen. Für den “Notfall” sollte ich mir einen verschreiben lassen. Dieses Kassenmodel stand bis 2016 tatsächlich nur im Keller. Denn der Rolli war zu schwer um ihn alleine zu rollen oder ins Auto zu heben.
Mein zweiter Rolli suchte ich mir selbst heraus und kämpfte bei der Kasse. Es ist ein Aktivrollstuhl von der Fa. Sopur, Modell Helium.
 

Hilfsmittel verschreiben lassen

Foto anklicken!

Wie ihr euch einen Rollstuhl verschreiben lässt und was ihr beachten solltet, habe ich ich einem Beitrag hier veröffentlicht!

Mein neuer Rolli ist ein Traum! Er eröffnete mir eine ganz neue Sichtweise auf ein Hilfsmittel und erhöhte meine Lebensqualität. Vorbei ist es mit der Scham und Angst. Vorbei mit müden Beinen und Tagen, an denen ich frühzeitig abbrechen muss, da mir die Kraft fehlt und ich müde bin. 

Mein Sopur-Rolli ist super leicht. Die Räder nehme ich mit einem Griff ab und hebe ihn leicht ins Auto. Ich entschied mich für einen Starrrahmen; damit sparte ich einige Gramm an Gewicht. Außerdem ist er ein Aktivrollstuhl  mit knapp 12 kg und lässt mich durch sein leichtes Handling aktiv am Leben teilnehmen und leicht rollen. Eine Tasche am Rückenteil lässt sich leicht abnehmen und bietet Stauraum. Die einklappbaren Griffe sind weniger geeignet zum schieben; geht nur, wenn die Person nicht groß ist. Aber da ich eh niemanden zum Schieben habe, war dieser Rolli die richtige Entscheidung.

Der Fußtritt ist durchgängig, was für mich noch kein Problem ist. Da musste ich auf die Kosten der Kasse achten. Die Beine werden mit einem sehr stabilen Klettband gehalten. Somit sparte ich wieder an Gewicht.


Die Angst vor Hilfsmitteln ist schon lange gewichen. Alles braucht eben seine Zeit. So wie es mit dem Akzeptieren der Krankheit auch seine Zeit braucht.

Lebensqualität und Lebensfreude ist jetzt mein Motto!

Herzlichst

Eure

 

Bildquelle/Titel: unplush.com/photo-1507698075206-66ec10e57e89


 

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