Fatigue bei Multiple Sklerose (MS) soll hier nur nochmals für Neubetroffene kurz erklärt werden. Der Begriff stammt aus dem Französischen und heißt übersetzt “Müdigkeit”. Doch der MS-Patient ist nicht nur einfach müde, sondern erlebt die Fatigue als totale Erschöpfung, die oft plötzlich auftritt ohne erkennbaren Ursachen. Das Symptom wirkt sich entweder nur, oder als Mischung kognitiv und motorisch, aus. Für Neubetroffene kann mein erster Artikel auch sehr hilfreich sein!
Warum ist Fatigue ein leidliches Symptom? Gründe, Ursachen und Wirkung
Fatigue raubt einem den letzten Nerv, kann genau dann auftreten, wenn man es überhaupt nicht gebrauchen kann. Es schleicht sich in den Alltag und in den Beruf ein und nimmt uns enorme Lebensqualität; vor allem wenn man schwer betroffen ist.
Kurz gesagt: Fatigue wirkt sich stark negativ in unser Leben aus!
Ursachen?
Leider sind die Ursachen immer noch nicht befriedigend und ausreichend geklärt. Bringt uns Betroffene jetzt nicht gerate weiter, weil es irgendwie keine Hoffnung auf Besserung macht. Zusätzlich betrifft es auch Menschen, darunter leiden auch MS-Betroffene, mit einem Post-COVID-Syndrom (PCS). Die Wissenschaft kommt nicht wirklich voran und seit ich meine Diagnose habe (2004) ist zu diesem Thema noch nicht wirklich viel passiert.
Wirkung!
Die Wirkung von Fatigue ist so vielfältig, so massiv einschränkend, ätzend, aus dem Nichts kommend… man könnte einfach so weitermachen. Kennst du doch sicher auch?
Das Berufsleben sowie das familiäre Zusammenleben sind stark eingeschränkt und immer wieder hofft man, die Wissenschaftler und Ärzte würden etwas dagegen finden und helfen können. Doch nichts passiert. Seit 2004, seit meiner Diagnose passiert bei der Forschung dieses Symptoms nichts. Nada.
Die Wirkung/Auswirkung, der Gründe für das Fatigue-Syndrom sollen unteranderem Entzündungen, sogen. Inflammationen sein. Bei entzündlichen Prozesse werden proinflammatorische Zytokine∗ ausgeschüttet, die zu Veränderungen bestimmter Hirnregionen führen. Bringt uns diese Erkenntnis, diese Wirkung, diese Info etwas?
∗Botenstoffe, die bei einer Reaktion des Immunsystems gebildet werden
Fatigue bei MS – nimmt uns Lebensqualität und doch gibt es einige Dinge, die du zumindest versuchen solltest auszuprobieren
Ich gebe es zu, ich habe vieles ausprobiert und vieles hat nicht geholfen, außer mir zuzugestehen, wenn ich wieder meine Fatigue-Tage habe, zu schlafen und zu Hause zu bleiben. Auch eine Form der Akzeptanz!
Trotz meiner eher bescheidenen Erfahrungen, gebe ich wie im letzten Artikel ein paar knackig kurze Tipps und hoffe sehr, dem ein oder anderen helfen sie. Sarkastische Randnotizen müsst ihr ertragen:
- Fatigue-Tagebuch: Finde ein Muster deiner Symptome und entwickle deine eigenen Coping-Strategien.
- Depressionen: Lass sie behandeln und parallel evtl. eine Psychotherapie, denn eine Depression kann eine Fatigue verstärken.
- Schlafstörungen: Ich kenne kaum einen MS-betroffenen, der nicht von Ein- und Durchschlafproblemen betroffen ist. Es gibt zu diesem Thema unzählige Tipps, die dir dein Neurologe und/oder Psychiater empfehlen kann. Meistens wird dem Patienten aber ein Rezept für ein Medikament in die Hand gedrückt. Fatal in meinen Augen. Mir helfen CBD-Tropfen mit Melatonin von Hanfgeflüster. Das wissen viele, denn mit einem Code gibt es 20% Rabatt. Findest du auf der Sidebar oder scrolle nach unten. Am besten du fragst mich.
- Neuropsychologen: Sie können dich teils unterstützen, um deine Fatigue in den Griff zubekommen. Es werden aber viele Tests durchgeführt und viel besprochen. Zusätzlich fließen andere Befunde von Ärzte mit ein. Bespreche das bitte mit deinem Neurologen. Ich hatte das Glück in meiner letzten Reha eine mittelstarke Fatigue diagnostiziert zubekommen. Einige wenige Tipps behielt ich bei; manchmal kommt mir aber das Leben und die totale Erschöpfung dazwischen. Bin schließlich nicht frei von Beratungsresistenz 😉
- Medikamente: Es gibt sie, aber nicht offiziell für Multiple Sklerose zugelassen und man muss sie selbst bezahlen. Vielleicht ein Antidepressiva? Nein danke, aus dieser Nummer bin ich raus. Aber kenne viele, die sind davon überzeugt und sind wir ehrlich – man greift nach jedem Strohhalm.
- Akzeptanz: Darunter ist eigentlich die Gesamtheit der Erkrankung zu verstehen. Einen Zugang zur eigenen MS zu finden. Offene Gespräche zu führen und hoffen, dass alle zuhören und es verstehen. Ich bin heute sehr sarkastisch unterwegs, aber bei diesem Punkt muss ich auch aussteigen, denn ich habe mir bei diesem Thema den Mund schon so oft fusselig geredet – ich mog nimmer! Doch lasse nichts unversucht, andere als ich, haben vielleicht bessere Familien und Freunde, die dich ernst nehmen!
- Selbstwirksamkeit: Ein doofes Wort und könnte locker flockig von Selbstliebe ersetzet werden. Viele Menschen können mit diesem Thema viel anfangen und setzen es täglich um. Ich liebe mich auch, meistens, doch meine Fatigue wird dadurch nicht besser. Achtsam bin ich auch mit mir, doch es passiert nichts – meine Augen fallen einfach zu.
- Kognitive Verhaltenstherapie: Mein Thema, hinter dem ich 100&ig stehe! Na bitte, wer sagt es denn 🙂 Bei dieser Therapie werden in Sitzungen Copingstrategien erarbeitet, ohne die ich öfters im Alltag aufgeschmissen wäre.
- Sport und körperliche Aktivitäten: Nicht erst das Vorhaben schwimmen zu gehen oder eine Runde Laufen, wenn dich die Fatigue schon heimsucht. Nein, da ziehe ich mein Bett auch vor! Finde für dich die richtige Zeit am Tag heraus. Für mich ist das morgens, nicht zuviel frühstücken und ab aufs Board, Tennisplatz oder zum Rudern. Das war jetzt Spaß!
- Neue Erkenntnisse gegen die Fatigue: Planen, Priorisieren und Pacen
- Planen: Plane deinen Tag, auch deine Ruhepausen. Aktivitäten am höchsten Energielevel durchführen. Arbeiten über den Tage verteilen, Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Hole dir Unterstützung durch Familie und Freunde, notfalls durch eine Soziale Einrichtung. Arbeite Teilzeit oder im Homeoffice, wenn es möglich ist.
- Priorisieren: Termine, Verpflichtungen und Aktivitäten nach Wichtigkeit beurteilen und dann erst handeln. Denke auch an Prioritäten, die Freude machen, nicht nur an Pflichten. Unwichtiges wegschieben, einfach vertagen. Setze dir realistische Ziele, jeden Tag, jede Woche!
- Pacen: Lass dich nicht hetzen. Eine Sache konzentriert erledigen, nicht gleichzeitig deine Energie auf mehre Aufgaben verteilen. Pausen einhalten und zwar bewusst zwischen deine Arbeit einfügen.
Fatigue bei MS – schwer behandelbar?
Eigentlich muss hier nur ein JA stehen. Aber wer bitte beendet einen Artikel mit einem einzigen Wort?
Versuche alles um dieses Fatigue-Symptom zu minimieren. Tipps habe ich dir hier gegeben und im anderen Artikel. Probiere alles aus, was dir gut tut. Auch was du realistisch umsetzen kannst! Denn leider ist mein Fazit heute:
Ein leidliches Symptom, das die Würde eines Menschen angreift!
Bleibe hoffnungsvoll und verzeih mir heute mein Sarkasmus!
Deine
Für die Faulen unter uns, die nicht gerne suchen und noch einen Artikel überfliegen wollen:
Umgang mit der Fatigue
Ruhepausen
Aus den vielen Gesprächen in den letzten Jahren mit Betroffenen, durch die Arbeit in der Selbsthilfegruppe und meinen Lesern und Freunden, steht hier an erster Stelle im Umgang mit der Fatigue viele Ruhepausen einzulegen. Oft hilft eine Viertelstunde sich einfach irgendwo hinzusetzen und …
Aktivität
An zweiter Stelle steht die Aktivität in Form von Krankengymnastik oder sportlichen Tätigkeiten. Es ist enorm wichtig seine Mobilität zu erhalten, sich zu bewegen und aktiv zu bleiben. Man darf aber nicht über seine Belastungsgrenzen gehen, hier bedeutet `weniger und öfter´ mehr als einmal pro Woche sich zu verausgaben. Die Physiotherapeutin weiß natürlich was Ihnen gut tut, aber …
Sport
Sport hilft sein Übergewicht zu reduzieren oder das Gewicht zu halten, verringert depressive Störungen, beugt Osteoporose vor und stärkt das Immunsystem. Es verbessert die geistige Leistungsfähigkeit und steigert die Lebenszufriedenheit und Lebensqualität. Tendenziell nehmen sportliche Aktivitäten Einfluss auf die Fatigue und diese tiefen Erschöpfungszustände relativieren sich, werden seltener. Zweimal die Woche …
Körperliche Betätigungen mit leichter bis mittelschwerer Behinderung
Ein Bekannter hat an einer Studie “Körperliche Betätigungen mit leichter bis mittelschwerer Behinderung” teilgenommen. Über Wochen wurde ein Programm für jeden Teilnehmer mit und ohne Hilfsmittel zusammengestellt und in einem persönlichen Tagebuch festgehalten. Fazit war, dass alle Teilnehmer nach diesen zehn Wochen ihre Beweglichkeit verbesserten, teils ihre Laufstrecke optimierten, leichter ihr Gewicht halten oder reduzieren konnten, die Fatigue und die kognitiven Symptome verbesserten sich. Es war eine neugewonnene Lebensqualität, die zumindest bei meinem Bekannten bis heute anhält, denn er hält sich immer noch an seinen wöchentlichen Trainingsplan.
Reiten
Ich bekomme es immer wieder von Mitbetroffenen bestätigt, dass ihre Beweglichkeit, Kognition und Fatigue sich durch sportliche Aktivität stabilisieren. Ein anderer aus unserer Selbsthilfegruppe übt seit Jahren das therapeutische Reiten (Hippotherapie) trotz seinen körperlich starken Einschränkungen. Zumindest erzielt er durch das einstündige Üben auf dem Pferderücken unter Leitung einer Reittherapeutin bis zu zwei Tage eine Verbesserung seiner Symptome: ein paar Meter am Stock oder Rollator zu gehen, bedeutet für den Einzelnen die Welt. Wenn es seine Zeit erlaubt, reitet …
Klettern
Ich selbst bin ein großer Fan vom Klettern. Aus diesem Grund gründete ich mit einer Freundin eine Gruppe `Klettern mit MS´. Schon seit sehr langer Zeit verfolgte und las ich über eine Münchner Klettergruppe, die Menschen mit leichter bis schwerer Beeinträchtigung instruiert. Auch Menschen im Rollstuhl klettern in dieser Gruppe, gesichert mit zusätzlichen Seilen. Nach dem Motto: Wer stehen kann, der kann auch krabbeln – eben nur vertikal! 😉 Sir Edmund Hillary sagte schon: “Nicht der Berg ist es, den man bezwingt, sondern das eigene Ich.”
In unserer Kletter-AG treffen wir uns einmal die Woche etwa 1,5 Stunden. Klettern macht Spaß, fördert das soziale Leben, motiviert und fördert das Miteinander, verbessert die Beweglichkeit, die Koordination, das Gleichgewicht und die Ausdauer. Wenn ich nicht selbst mit eigenen Augen gesehen hätte und die Veränderung einer MS-Betroffenen miterlebt hätte, hätte ich es vielleicht nicht geglaubt. Zu Beginn unserer Gruppe konnte sie nur mit Stock und am Arm ihres Mannes in die Kletterhalle laufen, auf der Straße nahm sie den Rollator. Nach vielen Wochen ließ diese Frau ihren Rollator zuhause und bewegte sich im Alltag nur mit Hilfe ihres Stocks. Nach weiteren Wochen kam sie ohne Stock zum Training am Arm ihres Manns, aber verlassen hatte sie die Kletterhalle ohne Hilfe mit kleinen Schritten! Hier zeigt sich doch wirklich der Erfolg einer sportlichen Aktivität und Durchhaltevermögen, auch wenn sich sicher nicht bei jedem der gleiche Nutzen und Gewinn einstellt. Aber auch ein kleiner Fortschritt verbessert …
“Manche Tage sind wie ein ständiger Kampf gegen die Müdigkeit.”
WorldDay
2 Kommentare
Liebe Caro,
Danke für Deine Anregungen!
Eine Frage:
Würdest Du Feldenkrais auch während eines Schubs empfehlen oder erst danach?
Lieben Gruß
Hannah
Liebe Hanah,
bin eher Team während eines Schubs es ruhiger angehen zu lassen.
Wenn du die Kraft hast und du denkst dass es dir gut geht dabei ( kannst ja viel in der Vorstellung mitmachen), dann mach alles was deiner Seele und doch geschwächten Körper, gut tut.
Liebe Grüße Caro