Multiple Sklerose

In Schubladen denken, wer kennt das nicht, auch mit MS

28. Oktober 2018
Leider auch unter MS-Betroffene keine Seltenheit

Leider auch unter MS-Betroffene keine Seltenheit

Immer wieder erlebe ich es selbst, dass ich in verschiedene Schubladen gesteckt werde und wehe ich öffne diese und hüpfe in eine andere. Ihr wisst nicht von was ich spreche? Dann beginne ich mal von vorne …

 

Schubladen-denken

 

Mein Leben mit Schubladen und meiner MS

Wer mir in den sozialen Netzwerken folgt und/oder meine Blogbeiträge regelmäßig liest, weiß dass ich seit vielen Jahren, um genau zu sein, seit dem dritten Jahr meiner Tysabri-Therapie (2009-2012) im chronisch progredienten Verlauf bin. Meine hochaktive MS wandelte sich in einen schleichenden Verlauf. Tysabri wurde damals wegen PML-Verdacht abgesetzt, auch weil ich keine Schübe mehr hatte und doch verschlechterte sich meine MS. So verhielt es sich auch mit Hilfsmitteln. Sie nahmen schleichend Einzug in mein Leben. Jetzt bitte nicht in Tränen ausbrechen; denn zu Beginn verlief die Freundschaft mit Gehstöcken und Rolli schleppend, doch heute bin ich echt dankbar. Denn sie gaben mir Lebensqualität zurück, wenn gleich ich durch ein tiefes Tal mit vielen Tränen gehen musste, um zu kapieren und anzunehmen.

Immer wieder öffnete ich Schubladen, füllte die Fächer mit Therapien, Misserfolgen und Erfahrungen. Heute steht ein alter Schrank mit abgeblätterter Farbe vor mir, der mein ganzes Leben mit und ohne Multiple Sklerose beinhaltet. Ein paar Schubfächer können noch gefühlt werden. Und da wären wir beim Thema …

 

Mein Leben mit Schubladen und meiner MS

 

Was möchte ich sagen

Eigentlich ganz einfach und viele, die mich gut kennen wissen es bereits. Es gibt Tage, da bin ich Fußgänger und wieder an schlechten Tagen benutze ich einen Rolli. Mein Rollator steht eingemottet im Keller, dafür fühle ich mich zu jung. Aber als Reserve-Hilfsmittel hat er seine Daseinsberechtigung. Jeden Tag öffne ich eine andere der vielen Schubladen, machmal die selben Schubfächer.

Die anderen

Es gibt immer wieder Menschen und MS-Betroffene, die verstehen es nicht. Bei meinem Umfeld oder Leute, die ich in der Stadt treffe und die mich nur vom Sehen kennen, verstehe ich es absolut. Gibt es nicht genug Rollifahrer, die plötzlich einfach aufstehen und ihr Hilfsmittel schieben? Genau, es ist ein Hilfsmittel, das man benutzt wenn einem die Kräfte verlassen und man sich dann reinsetzen kann. Wie gesagt bei “Gesunden” verstehe ich dass sie es nicht verstehen. Aber bei Leuten mit der gleichen Erkrankung kapiere ich es nicht. Sie greifen einem an. Man stellt ein Foto ins Netz wo man steht und dann zwei Tage später rolle ich auf dem Bild durch die Stadt. Hm, was tun? Traurig macht es mich. Es gibt wirklich unter uns MSler, die für draußen immer einen Rolli brauchen, weil ihre Gehstrecke unter 50 m ist. Aber eben nicht alle! Ich habe verdammtes Glück, dass ich zwar “unrund” laufe, meistens mit Schmerzen und die Gefahr des Einknicken, aber an wirklich guten Tagen bis zu einem Kilometer laufen kann. Auch wenn ich diese Tage mittlerweile rot im Kalender ankreuzen  muss. Glücklich bin ich schon bis zu 500 Metern laufen zu können. Muss ich mich dafür rechtfertigen?

 

Keine Rechtfertigung, aber erklären möchte ich es doch, denn Empathie sollte es auch unter MSler geben

Um Städtetouren, Events und Einkaufsmarathons unbeschadet zu überstehen, benutze ich meinen Rolli. Die Kraft, die ich zum Laufen brauche, habe ich dann um länger mitzumachen und durchzuhalten. Ich ermüde einfach nicht so schnell. Seit Wochen fahre ich den Rollstuhl in meinem Auto “spazieren”, jederzeit bereit zum Einsatz. Diese werden leider immer öfter, deswegen ist er mein ständiger Begleiter. Vor kurzem in Karlsruhe mit meinem Sohn, erbrauchte Kleidung von Kopf bis Fuß für seinen Abiball, hätte ich den Einkauf nie ohne Rolli geschafft. Undenkbar, denn es waren mindestens drei Kilometer zu laufen und dann das Stehen in den Geschäften. Leider ist dann das Fusstrittbrett nach unten gerutscht, verhakte sich – unfahrbar. Ich raus auf eine Bank, mein Sohn trug den Rollstuhl ins Auto und holte mich dann ab. Hm,was hätte ich gemacht ohne ihn? Wenn ihr einen Tipp habt, her damit! Polizei rufen kann man wohl kaum in diesem Fall.

Meine Intention, die ich selbst befolge und Bitte 

… Verständnis für Betroffene, die einfach einen leichten Verlauf haben. Vergleichen wir niemals unsere MS-Verläufe miteinander, das tut nur weh und erzeugt Neid. Wir sollten dankbar sein, dass wir uns zum austauschen haben und was der eine nicht weiß, bekommt er vom anderen gezeigt oder geholfen. Nicht in Schubladen denken!

UND BITTE SEID MIR NICHT BÖSE für diesen Blogbeitrag, aber es macht mich doch traurig, dass man auf solche negative Anspielungen und Schubladen-denken antworten muss. Vielleicht habe ich etwas mehr Verständnis für ein Miteinander erreichen können. Ich wäre sehr dankbar dafür.

Eure

MS-Blog frauenpowertrotzms

 

 

 

 

 

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15 Kommentare

  • Antworten Elena 16. November 2018 at 12:19

    Bis zu deinem Beitrag wusste ich noch nicht viel über MS. Du hast das so schön geschrieben. Das hat aber euch viel mit unserer Zeit zu tun.
    Schöne Grüße
    Elena
    https://elenasarah.com/

    • Antworten frauenpowertrotzms 16. November 2018 at 23:16

      Liebe Elena,
      freut mich dass du jetzt etwas mehr weißt und wenn du Fragen hast, schreibe mir gerne.
      Liebe Grüße Caro

  • Antworten Michelle | The Road Most Traveled 14. November 2018 at 11:56

    Liebe Caroline,
    lass dich bitte nicht unterkriegen!
    Dieses Schubladen denken tritt leider überall in der Gesellschaft auf.
    Unter Homosexuellen, unter Heterosexuellen, unter Erkrankten, unter Gesunden, dick, dünn, klein, groß, deutsch, nicht deutsch..
    Ich finde das auch ziemlich dumm!
    Ich kenne das Phänomen, dass Menschen ihren Rolli für den Notfall dabei haben. Habe häufig Personen gesehen, die ihren Rollstuhl schieben oder selbst in den Bus bringen und sich dann reinsetzen (bzw. beim Aussteigen ebenso). Habe mich anfangs drüber gewundert, aber es nicht in Frage gestellt oder verurteilt.

    Halt die Ohren steif!
    Michelle

    • Antworten frauenpowertrotzms 14. November 2018 at 13:04

      Hallo Michelle,
      danke für deine lieben Worte. Lass mich nicht unterkriegen , zumindest versuche ich es. In unser Gesellschaft muss noch viel passieren für Empathie füreinander.
      Liebe Grüße Caro

  • Antworten Tina 14. November 2018 at 11:45

    Ich finde allgemein, dass es zu wenig Verständnis anderen gegenüber gibt und das mit dem Urteilen immer alle viel zu schnell sind. Schubladendenken mag ich gar nicht und hab mir das auch schon ziemlich gut abgewöhnt.

    • Antworten frauenpowertrotzms 14. November 2018 at 13:06

      Es ist beängstigend was in unserer Gesellschaft passiert. Wir müssen unbedingt umdenken. Auch Kranke, Homosexuelle, Arme, Kinder … Haben ihre Rechte und sollten genauso behandelt werden, wie man mit sich selbst umgeht – nämlich mit Empathie.

  • Antworten Breena 12. November 2018 at 19:12

    Liebe Caro,
    vielen Dank für deinen sehr ehrlichen Beitrag. Er lässt nur erahnen, was du und andere Erkrankte jeden Tag durchmachen. Als ob die Erkrankung nicht schon schwer genug ist! Keiner sollte sich für sein Verhalten rechtfertigen müssen. Stattdessen sollten wir uns mit dir freuen, wenn du gute Tage hast, an denen du ein paar Schritte mehr laufen kannst, weniger Beschwerden hast, das Leben mehr genießen kannst.
    Liebe Caro, ich wünsche dir alles Gute! Lass dich bitte nicht unterkriegen!
    Deine Breena von deinereiselust.de

  • Antworten Bettina Halbach 12. November 2018 at 10:19

    Caro, dein Beitrag ist bewegend. Ich kenne mehrere MS-Betroffene in meinem Umfeld, mit immer unterschiedlichen Problemen, dank deinem Blog bringe ich mehr Verständnis auf, es ist gut, dass es in gibt 🙂 Liebe Grüße Bettina

    • Antworten frauenpowertrotzms 12. November 2018 at 11:20

      Liebe Bettina,
      für ausstehende ist auch nicht immer leicht Verständnis aufzubringen aber manches Verhalten ist gnadenlos ungerecht und dann erst die Worte. Man darf sich nicht alles gefallen lassen, trotz dass wir sehr oft große Geduld haben.
      Liebe Grüße und danke für deine Worte
      Caro

  • Antworten Julie 12. November 2018 at 09:21

    Liebe Caro,
    ein wirklich toller Beitrag! Schade allerdings, dass er notwendig war.
    Ich denke, diese mangelnde Empathie, der Neid, das Vergleichen betrifft nicht nur MS-Betroffene.
    Vielleicht ist es auch einfach ein Zeichen unserer Zeit …
    Es macht mich auch oft wütend und traurig.
    Mehr Empathie würde unserer Gesellschaft wirklich nicht schaden!
    Ich denke, wir können nur als gutes Beispiel vorangehen und versuchen, somit einen Unterschied zu machen.
    Danke für deine offenen Worte!
    Ich finde es großartig, wie du dein Leben trotz dieser Einschränkungen meisterst und schicke dir
    viele liebe Grüße aus Wien
    Julie von julie-en-voyage.com

    • Antworten frauenpowertrotzms 12. November 2018 at 09:39

      Liebe Julie,
      danke für deine Worte. Tut mal gut so was etwas zu lesen. Mein Beitrag bezieht sich auch auf andere Krankheiten. Eigentlich trifft Empathie auch in andere Lebenssituationen zu. Jeder ist sich am nächsten. Sehr traurig, aber wenn man darüber spricht, vielleicht ändert manche Ansicht.
      Liebe Grüße nach Wien, meiner Lieblingsstädte 😉
      Caro

  • Antworten Britta Roth 29. Oktober 2018 at 18:12

    Liebe Caro,
    leider kommt es immer wieder vor, dass andere MSler sich und ihren Verlauf mit anderen vergleichen! Das geht nicht.
    Ich sage immer, dass jeder MS Verlauf wie ein unabänderliches Kennzeichen zu demjenigen gehört,der ihn durchläuft (bzw rollt;) ) und man es nicht vergleichen kann.
    Bei Nicht-Betroffenen versteh ich es grad noch so, wenn sie Unverständnis zeigen, weil ich einmal mit dem Rolli im Einkaufscenter gesehen wurde und am nächsten Tag im Garten den Rasenmäher schiebe…tja, das versteh ich selbst als mal nicht. Also vorsichtig reagieren und versuchen, zu erklären. Mir gelingt das, wenn ich es mit einer Mashcine cergleiche, bei der urplötzlich der Stecker gezogen wird und dann geht nix mehr. So fühlt es sich für mich zumindest an. Ich bin auch im schleichenden Vrlauf, vorher hochaktive Schübe, Tysabri bis zur JVC positiv Geschichte. Heute Kortison alle 6 Wochen. Diesmal mussi ch es um 2 Wochen schieben ,denn ich habe einfach keine Möglichkeit alleine zu meiner Neurologin zu kommen, so muss ich warten, bis mein Mann Zeit hat (er fährt ab und zu Bus bei uns in der Firma und das ab und zu wurde die letzten Wochen immer mehr, denn zwei Fahrer haben gekündigt) und mich fahren kann. Also diese Woche noch nicht Infusionen.
    Das Schubladendenken gibt es in so vielen anderen Bereichen auch: denk nur an die Schule, als die Lehrer versucht haben uns das lernen zu erklären, so nach dem Motto: füllt eine Schublade nach der Anderen mit wissen und wenn ihr es braucht, zieht die Schublade auf und holt es raus.
    Oder wenn man jemanden in stylischen Klamotten Laufen sieht, ist er sofort ein Styleblogger, oder wenn einer einen Iro hat ist er ein Punker. Solche Schubladen gibt es auch.
    Schade, dass unter uns MSlern so wenig Miteinander ist. MS ist kein Wettbewerb, so nach dem Motto: wem gehts am schlechtesten??
    Das ist doch doof!
    Danke für diesen Beitrag, Caro! Sehr wichtig, auch für Nicht Betroffene, oder vielleicht vor allem für die.
    Und mehr Miteinander und Zuhören ,als Gegeneinander und sich ins Licht schieben.

    Ich nutze den Rollstuhl regelmäßig. Ich hab ihn von Anfang an gemocht, denn ich bekam meine Unabhängigkeit wieder. Den Rollator nutze ich, wenn es regnet, SChnee liegt oder ich einen guten Tagg habe und die Strecken nicht ganz so lange si nd und wir Sitzmöglichkeiten auf dem Weg haben.
    Den Stock nutze ich immer im Haus, im Garten. Klar komm ich mir manchmal doof vor, aber ich brauche es und wen es interessiert, warum, dem erkläre ich es gerne.
    Liebe Grüße aus Unterfranken,
    deine Britta

    • Antworten frauenpowertrotzms 29. Oktober 2018 at 19:23

      Liebe Britta,
      ein so toller Kommentar. Unterschreibe ich alles. Das Schubladen denken gibt es auch in anderen Bereichen. Da hast du Recht. Ich finde es auch traurig dass einige MSler dich vergleichen. Geht aber nicht denn jeder Verlauf ist anders. Es ist die Krankheit mit den 1000 Gesichtern.
      Liebe Grüße Caro

  • Antworten Norbert Dittmar 28. Oktober 2018 at 21:39

    Liebe Caro!
    Du brauchst Dich für nichts zu entschuldigen. Auch ich musste leider in der Vergangenheit des öfteren erfahren, dass ausgerechnet gehandicapte “Mitstreiter” Taktlosigkeiten und mangelnde Empathie an den Tag legten. Das tendiert jetzt fast gegen null, da mein näheres Umfeld mehrfach “passend gemacht” werden musste und nun geniesse, dass man mich so nimmt, wie ich bin. Mittlerweile macht es mir bei manchen Menschen richtig Spass, sie mit meiner wundersamen Heilung zu schockieren, indem ich aus dem Rolli steige. Es ist ein langer Prozess, zu akzeptieren, dass die Hilfsmittel wirklich helfen, keine Frage. Vergleichen und Neid ist sowas von daneben, aber so Menschen wird es immer geben, so daß ich schon lange nicht mehr alles erkläre…Einige dürfen zwar alles essen, aber nicht alles wissen. Du machst alles richtig und bewege Dich “in Deinem Schrank” wie Du es für richtig hältst! Liebe Grüsse, Nobby

    • Antworten frauenpowertrotzms 28. Oktober 2018 at 21:57

      Lieber Norbert,
      deine Worte tuen mir gut und bauen mich auf. Ich stehe zu meinem Leben mit oder ohne Rolli. Habe lange überlegt darüber zu schreiben aber die Feedbacks bestätigen dass dieser Bericht notwendig war. Es gibt viele die von anderen Betroffenen nicht verstanden werden. Hängt mir zu hoch. Du hast es richtig gemacht die richtigen Menschen um dich zu sammeln und das alte losgelassen zu haben. Habe ich auch wieder in den letzten Monaten. Man weiß wo mich mein Leben noch hinführt und ich vielleicht doch mal die Zelte hier abbreche.
      Liebe Grüße Caro

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