Krankheitsbewältigung Unsichtbare Symptome bei MS

Fatigue bei MS – wir müssen damit leben, wir machen das Beste daraus!

13. August 2020
Fatigue bei MS - wir müssen damit leben, wir machen das Beste daraus!

Fatigue bei MS ist echt eins der beschissensten Symptome und dann noch unsichtbar. Außer wir sind so erschöpft, dass uns der Kopf auf die Tischplatte knallt. Yeah, jetzt hat auch der unverständigste Mensch auf Erden es kapiert: Wir sind so müde und erschöpft, dass wir nicht mehr klar denken können, einem Gespräch nicht mehr folgen oder fühlen uns gerädert. Mancher schläft während eines Gesprächs fast ein, schließt die Augen, hört und sieht nichts mehr.

Manchmal rette ich mich einfach auf die nächste Couch, egal ob zu Hause oder bei einer Freundin. Eine Pause ist angezeigt. Ich kann in diesem Moment auch nichts anderes tun. Die Fatigue haut mir einfach den Kopf von den Schultern und setzt mich augenblicklich schachmatt. Mit voranschreitender Krankheit steigt auch die Anzahl meiner Pausen während des Tages. 

Fatigue gehört zu den häufigsten unsichtbaren Symptome.

Was bedeutet eigentlich Fatigue bei MS?

Der Begriff Fatigue (lateinisch: Fatigatio) stammt aus dem Englischen bzw. Französischen und ist objektiv nicht messbar. Mit einem festen Willen beseitigt man dieses Fatigue-Symptom auch nicht. Leider reagieren unsere Mitmenschen, wie im Beruf oder in der Familie mit Unverständnis. Wie soll der MS-Betroffene ein Symptom erklären, das nicht sichtbar ist und durch Untersuchungen bzw. Tests nicht belegt werden kann.

Fatigue bedeutet Müdigkeit und Erschöpfung.

Wie viele von uns wachen morgens auf und fühlen sich wie gerädert, trotz ausreichenden Schlaf. Manche Betroffene erleiden im Laufe des Tags eine regelrechte Müdigkeitsattacke. Der Körper fühlt sich bleiern an, die Arme und Beine werden schwer und das Denken zur Tortur. Ruhe– und Schlafphasen bringen keine oder kaum Erholung.

Häufigkeit und Auswirkungen der Fatigue 

Rund 70 % der MS-Erkrankten leiden unter Fatigue. Eines der häufigsten Symptome bei Multiple Sklerose. Oft ist solch eine Erschöpfung und extreme Ermüdung die ersten Anzeichen der Erkrankung. Leider nehmen viele Ärzte immer noch viele Patienten nicht ernst. Die Fatigue kann sich verschlimmern, verbessern oder stabilisieren im Verlauf der Krankheit.

Rund 70 % der MS-Erkrankten leiden unter Fatigue.

Mögliche Auswirkungen und Einfluss auf unser Leben und Alltag durch die Fatigue

  • Eine dauerhafte Erschöpfung und ein Mangel an Energie beeinflusst logischerweise die Leistungsfähigkeit.
  • Sie tritt in Intervallen auf oder überfällt den MS-Betroffenen aus heiterem Himmel.
  • Viele können sich geistig und körperlich nicht über einen längeren Zeitraum konzentrieren oder arbeiten.
  • Selbst das Gehen kann durch dieses Symptom negativ beeinflusst werden. 
  • Doch auch kognitive Auswirkungen können sich zeigen, die die Konzentration stark beeinflusst.
  • Hohe Temperaturen, wie im Hochsommer, können eine Fatigue verstärken.
  • Die Lebensqualität ist oft extrem eingeschränkt. Fatigue sieht man nicht, deswegen akzeptieren Mitmenschen diese Auswirkungen schwer. Sie können diese Anzeichen und totale Erschöpfung einfach nicht nachvollziehen.

Kommt dir das bekannt vor? Was sind deine Probleme mit der Fatigue bei MS? Kommentiere gerne unter dem Beitrag. Was hilft nun den MS-Patienten?

Kann man eine Fatigue diagnostizieren?

Nicht eindeutig, es ist eher ein persönliches Empfinden und bis heute gibt es keine standardisierten Tests. Drei Punkte, die als Hinweis und zur Fatigue-Diagnose etwas Licht ins Dunkeln bringen.

  • Subjektives Empfinden, nach dem dich dein Arzt fragt oder du selbst dir bewusst machst.
  • Ein Fatigue-Fragebuch eine gewisse Zeit führen und mit deinem Neurologen auswerten.
  • Diagnostisches Verfahren mit der “Fatigue Skala für Motorik und Kognition” (FSMC): Man bekommt ein Fragebogen mit 20 Fragen zu Motorik und Kognition und auf die Antworten Punkte. Die Auswertung erfolgt mit einem Skalensystem. So erhält man den Score (Ergebnis) zur Bestimmung der Fatigue.

MS und Fatigue

Man kann wenig tun gegen die Fatigue bei MS, doch es gibt immer Tipps und Tricks, die dir trotzdem helfen

Als Erstes sage ich dir — lass dich nicht entmutigen und habe kein schlechtes Gewissen anderen gegenüber. Ich weiß, es gehört eine große Portion Selbstbewusstsein dazu. Früher dachte ich, ich muss unbedingt mithalten und verausgabte mich, erklärte niemanden was mich belasst und taumelte von Termin zu Termin. Heute stehe ich über diesen Dingen! Bin ich so müde und erschöpft, dass ich nicht klar denken kann, meine Beine mich nicht mehr tragen, dann ziehe ich mich zurück. Ich sage Termine ab, auch kurzfristig. Schlafe eine kleine oder große Runde.

Der für dich richtige Umgang mit deiner Fatigue kannst du auch lernen.

Tipps und Tricks

  1. Rede mit deinen Mitmenschen, deiner Familie und Arbeitskollegen. Erkläre ihnen dein Dilemma. Denke daran, keiner sieht es dir auf den ersten oder zweiten Blick an.
  2. Bitte um Hilfe — nehme Hilfe an!
  3. Mache rechtzeitig Pausen, bevor du zu erschöpft bist. Oft genügen ein paar Minuten. Drehe eine Runde um den Schreibtisch bei der Arbeit oder laufe einmal durch die Wohnung.
  4. Regelmäßige Bewegung oder Sport helfen den Meisten an Fatigue–leidenden. Finde heraus, ob morgens oder zu einer anderen Tageszeit der geeignete Zeitpunkt ist.
  5. Akzeptiere deine Fatigue, das einzig wahre und sehr wichtig. Gestehe dir ein, dass du vielleicht einiges in deinem Alltag ändern musst und du nicht schuld an dieser Misere bist.
  6. Medikamente helfen in den seltensten Fällen, das solltest du wissen. Spreche mit deinem Neurologen darüber.
  7. Informiere und kläre diejenigen auf, die an dir und deiner MS interessiert sind. Wer sich dafür keine Zeit nimmt, kann weg. Darin bin ich heute sehr rigoros. Es kostet mich einfach zu viel Kraft.
  8. Suche das Gespräch immer wieder mit deiner Familie, Kinder und Partner. Meine Kinder sind in diese Fatigue–Ausnahmesituationen reingewachsen. Je älter sie wurden, um so mehr Verständnis zeigten sie.
  9. Hinterfrage deinen Tagesablauf: kann ich etwas ändern, muss ich sogar; überdenke deinen Arbeitslauf und deine Pausen; hinterfrage dich als Person was dir guttut und wie du es umsetzen kannst.
  10. Strukturiere deinen Alltag und manage deine Energie. Hier ist das Zauberwort Zeitmanagement. Gerade MS-Betroffene  kann eine Rehabilitation bei Fatigue und natürlich alle anderen Symptome, sehr unterstützen.
  11. Hast du einen Psychologen, dann rede mit ihm darüber. Er kann dir bei der Strukturierung deines Tages helfen.
  12. Wenn du so schwer von der Fatigue betroffen bist, dass du enorme Einschränkungen hast, deine Lebensqualität am Boden liegt, dann beantrage eventuell eine Rente. Ebenso erwäge einen Antrag auf einen Pflegegrad zur Unterstützung im Haushalt und alltägliche Besorgnisse/Therapien/Autofahrten.
  13. Ein ganz wichtiger Aspekt ist in meinen Augen: dafür gehe bitte alle Punkte nochmals durch, denn schnell landest du in der Isolation und ziehst dich komplett von deinem Umfeld zurück. Handle jetzt! Denn das muss nicht sein. Spreche mit deinem Arzt über deine extreme Müdigkeit.
  14. Verwende keine allgemeine Floskeln, wenn du  mit deinem Partner oder Familie über die Fatigue sprichst. Ich habe ein Buch über die unsichtbaren Symptome (ab Mai 2023 als Neuauflage im Kampenwand-Verlag wieder lieferbar!, auch über Fatigue bei MS, geschrieben. Eine kleine Lektüre für Neubetroffene und Angehörige.

Mein Motto: Ich lebe damit und mache das Beste daraus.

Fatigue bei MS und eine kleine Zusammenfassung was hilft

Hier werde ich dir noch ein paar Stichpunkte schreiben, wie eine kleine Zusammenfassung, damit du dir im Klaren bist, wenn du unter Fatigue leidest, solltest du handeln! Ich habe diese möglichen Lösungen fest in meinem Alltag einbezogen.

  • Akzeptieren und aufklären.
  • Ausdauersport in Maßen, wie Nordic Walking, Schwimmen … runter von der Coach und ran an den Speck.
  • Kraft einsparen und Hilfsmittel in den Alltag integrieren.
  • Hitze im Hochsommer meiden, sonst steht Herr Uhthoff in deiner Wohnung.
  • Kinder miteinbeziehen und ihnen die Situation erklären.
  • Führe 10–14 Tage ein handschriftliches oder per App Fatigue–Tagebuch und spreche anschließend mit deinem Neurologen, evtl. auch mit einem Psychologen, darüber.
  • Medikamente sind nicht mein Ding (aber es gibt sie, auch wenn die Erfolge mäßig sind), deswegen probiere ich immer erst andere Möglichkeiten.
  • Erledige deinen morgendlichen Gang ins Bad und später im Haushalt, wie bügeln, im Sitzen.
  • Kochen auf Vorrat, also noch gleich für den nächsten Tag oder gefriere ein, Stichwort Meal Prep
  • Ebenso einkaufen auf Vorrat oder beanspruche einen Supermarkt-Lieferservice.
  • Bitte um Hilfe, bevor du körperlich und mental am Ende bist. Nicht erst dann!
  • Bewegung und Sport entsprechend deiner körperlichen Möglichkeiten.
  • Entspannungsübungen
  • Eventuell eine Rehabilitation und Psychotherapie beantragen.
  • Ausgewogen essen und viel trinken — wie jeder das tun sollte.

Wie gehe ich mit meiner Fatigue um?

We make the best of it — you and me — we all!

Klingt zwar jetzt klischeehaft, aber ich habe dieses unsichtbare Symptom akzeptiert und richte mich danach. Es gibt Zeiten, da kehrt mir die Fatigue den Rücken zu und dann schlägt sie für Tage wieder voll zu. Was ich nicht ändern kann, damit lernte ich umzugehen — Dank der Diagnose MS. Das ganze Drumherum um diese Krankheit, damit lernte zurechtzukommen. Ich lebe in meinem eigenen Rhythmus; seit einem Jahr nach dem Auszug meines letzten Kindes mehr denn je. Mein Alltag ist strukturiert, nur ein Termin am Tag. wenn überhaupt Ich habe Feldenkrais und Entspannungstechniken für mich entdeckt und lege Pausen ein. PAUSEN ist eh mein Lieblingswort geworden. Oft nach jeder Tätigkeit oder Termin außer Haus. Rechenschaft lege ich nur mir ab. Ein Vorteil, wenn man alleine lebt.

Jetzt bist du dran. Ändere heute noch etwas, wenn du noch am Anfang stehst.

→ Wie gehst du mit deiner Fatigue um? 

→ Wie stark belastet dich dieses Symptom?

Eine schwungvolle Zeit wünsche ich dir,

Herzlichst Deine

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9 Kommentare

  • Antworten Susanne Nagel 23. August 2020 at 16:04

    Liebe Caro,

    als Betroffene lese ich deinen Blog sehr gern und habe schon so manche Infos daraus gezogen.
    Deinen Beitrag zu Fatigue habe ich soldarisch gelesen. Es tut gut, zu lesen, dass es anderen Betroffenen ebenso wie einem selbst geht.
    Kleiner Hinweis zu deinem Beitrag: „Couch” statt “Coach” (ich bin Schriftsetzerin;-) ) – passiert einem schnell mal, dass man eigene Fehler überliest.
    Ich wünsche noch einen guten Tag
    Susanne
    Vielen Dank.

    • Antworten frauenpowertrotzms 23. August 2020 at 19:11

      Liebe Susanne,
      schön dass du oft mit lesen tust und heute kommentierst. Das freut einem als Schreiberling 🙏 den Fehler verbessere ich. Danke für den Hinweis. Wenn man immer wieder das selbe liest, übersieht man leider immer wieder mal was.
      Liebe Grüße Caro

  • Antworten Bettina Halbach 18. August 2020 at 21:45

    Hallo Caro, vielen Dank, ein toller Beitrag mit leicht umsetzbaren Tipps, wie Betroffene mit Fatigue umgehen können. Als Gesunder weiß man tatsächlich sehr wenig darüber, daher finde ich Aufklärung wichtig. Herzlichen Glückwunsch zum Buch die unsichtbaren Symptome bei MS, ich bin deinem Link gefolgt und habe es mir von außen angeschaut, tolles Cover :-)) liebe Grüße Bettina

    • Antworten frauenpowertrotzms 18. August 2020 at 22:08

      Liebe Bettina,
      Danke für deinen sehr netten Kommentar. Aufklärung bei jeder Erkrankung ist wichtig, da man dadurch besser verstanden wird.
      Alles Gute, LG Caro

  • Antworten Dr. Annette Pitzer 17. August 2020 at 12:08

    Fatigue wird nicht umsonst auch das unsichtbare Symptom genannt. Mindestens 70 Prozent der MS-Betroffenen sind irgendwann betroffen. Im „Neurologischen Rehabilitationszentrum Quellenhof“ wird mit einem WEIMuS-Fragebogen und einer Testung der Aufmerksamkeitsintensität getestet. Hilfreich ist dann zum Beispiel ein Achtsamkeitstraining, das Erlernen einer Energiemanagment-Strategie und Ausdauertraining.
    Alles Liebe
    Annette

  • Antworten Jule 14. August 2020 at 11:07

    Übrigens stimmt das nicht so ganz. Es gibt mittlerweile eine Testbatterie, um die fatigue zu diagnostizieren. Ich selbst leider an einer schweren Form der Fatigue und war deshalb in einer speziellen Klinik. Dort wird diese angewand und man konnte deutlich sagen, das und in welchem Maße die fatigue ausgeprägt ist.
    Nur ob es eine kognitive oder motorische fatigue ist, dies ist noch nicht zu diagnostizieren.
    LG, Jule

    • Antworten frauenpowertrotzms 14. August 2020 at 12:17

      Hallo Jule,
      ich habe recherchiert und bin dabei nicht auf diese Art von Testung gestoßen. Wird die vielleicht nur dort in der Klink angewendet? Und hast du einen Link für uns alle? Oder vielleicht könntest du uns den Namen der Klink schreiben? Wäre echt klasse.
      Liebe Grüße
      Caro

  • Antworten Nadja Steinbeißer 13. August 2020 at 22:08

    Liebe Caro,
    danke für Deinen tollen Beitrag! Die Fatigue ist eines der unangenehmsten Begleiterscheinungen der MS. Sie lähmt einen, raubt einem jegliche Energie und Kraft! Das schlimme ist, dass jemanden zu erklären, der nicht weiß was Fatigue ist!
    Danke für Deine wertvolle Aufklärungsarbeit liebe Caro.
    Liebe Grüße Nadja

    • Antworten frauenpowertrotzms 13. August 2020 at 22:48

      Liebe Nadja,
      das freut mich dass du so später Stunde noch meinen Beitrag gelesen hast und kommentiert.
      Fatigue ist echt mehr als unangenehm und bei einigen das einzige Symptom bei ihrer Erkrankung. Erklären kann man das niemand – versthen tun nur Betroffene.
      Viele liebe Grüße, Caro

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