Krankheitsbewältigung Multiple Sklerose

Meine 6 Impulse zur Krankheitsbewältigung mit MS in der Krise

19. April 2020
Corona-Krise

Damit meine ich nicht die Corona–Krise, doch sie brachte mich darauf meine Gedanken in den Wochen der Isolation zu Papier zu bringen. Das Wort Corona kann ich ehrlich gesagt nicht mehr hören. Und es wird auch kein Statement von mir geben, denn sicher weißt du mittlerweile wie du dich  verhalten solltest.

Immer wieder lese ich in den sozialen Netzwerken, dass einige sich viel resistenter gegen diese Krise vom Covid-19-Virus fühlen als andere. Aber wieso ist das so? Negative Gedanken kommen bei den resistenteren Menschen kaum auf und Isolation ist man als MS-Betroffener immer wieder gewöhnt. Hach denke ich in den letzten Wochen und lächle. Gegenwärtig sitzen nämlich die meisten im selben Boot, egal ob gesund oder krank. Du sollst jetzt bitte nicht denken, ich bin schadenfroh, aber vielleicht bekommt der ein oder andere gesunde ein Gefühl für unser Leben mit einer chronischen Erkrankung. Wenn er uns inzwischen besser versteht, dann hat die Krise wenigstens einen Pluspunkt. Achtung: Es gibt auch Risikopatienten unter den MS-Erkrankten und da sieht es schon mal ganz anders aus. Informiere dich über das Corona-Virus und Multiple Sklerose. Spreche mit deinem Neurologen, wenn du dir unsicher bist.

Wenn es einen Glauben gibt,

der Berge versetzen kann,

so ist es der Glaube an die eigene Kraft.

Marie von Ebner-Eschenbach

1. Meine Diagnose war bereits eine Krise

Kannst du dich noch an den Tag deiner Diagnose erinnern? Nichts war so wie ein Tag davor. Hoffen und Bangen hatte ein Ende und schon befandst du dich in der Krise.  Wie war es bei dir damals? Für mich war die Diagnose ein freier Fall und doch habe ich sie mit den Jahren gemeistert. Die erste Zeit hattest du sicher eine große Angst und vielleicht, wobei ich das sehr hoffe, hast du sie mittlerweile überwunden. Erste Krise gewuppt – aufstehen und das Krönchen gerichtet. Es ging weiter …

2. Planbar ist nichts im Leben

Mitten im Leben, eventuell vor der Berufswahl, vor der Kinderplanung und Heirat, vor deiner Weltreise, mittendrin in einer Beziehung – Welcome Life! Herzlichen Glückwunsch zum Alltag danach. Krisenmanagement ist angesagt. In Facto hast du da jetzt überhaupt keine Lust dazu, doch du musst lernen auf dich aufzupassen und dein Leben neu zu gestalten. Schlagwörter wie Planung und Wünsche, die schmeiße erstmal gedanklich über Bord. Wie unbeschwert gesunde weiter planen, hier solltest du einen Schritt zurückgehen und in Ruhe deine Pläne überdenken. Ruhe bewahren, die bewährt sich jetzt in der Krise. Du hast gelernt dich erstmal gemütlich zurück zu lehnen und genau zu überlegen, wie es weiter gehen könnte.

Alle um dich kreischen hysterisch, da sie nicht mehr Party machen können oder in Urlaub fliegen. Du lächelst und denkst dir, das kennst du doch. Das war in meinem früheren Leben auch so. Spontan und bis tief in die Nacht zu feiern und direkt in Ferien zu fahren, geht bei dir eh nur mit Planung und braucht Zeit. Oder es funktioniert auch nicht mehr. Zeit hast du ja genügend durch die MS. Irgend ein Weg wird sich in Zukunft finden. Du hast Geduld lernen müssen, das kommt dir jetzt in der Corona-Krise zugute. Also lass alle kreischen und rote Köpfe bekommen – nichts läuft dir weg, nichts ändert sich für dich. Die anderen sind nun am Strampeln dran. Wohl bekomm’s!

3. Du bist nicht einsamer als sonst

Mit deiner Krankheit erlebst du manche Krise, nicht nur mit Corona. Wie viele von uns können nur selten das Haus verlassen? Mehr als genug, denn Symptome wie Fatigue, Blasenstörungen und Depressionen führen zwangsläufig dazu. Aber auch kurze Wegstrecken, die du nur noch mit einem Rollator oder Rolli bewältigen kannst. Ich kann ein Lied über Einsamkeit, Zurückgezogenheit und auch soziale Isolation singen. Entweder man hat den Anschluss verloren, weil einem Krankheitsschübe ständig dazwischen kommen, Menschen die nicht bereit sind dich im Gepäck mit der Krankheit zu nehmen oder du hast deinen Partner verloren oder findest keinen neuen. Ich könnte noch viele Beispiele aufzählen, aber du weißt was ich meine.

Du kennst vielleicht Einsamkeit und fühlst dich wie abgeschnitten vom sozialen Leben. Die jetzige Krise von Covid-19 geht vorbei und ändert nichts an deiner Lebenssituation, aber was kommt danach? Ich kann über dieses ganze Palavere der Gesunden, die gerade mal vier Wochen bedingt isoliert sind, nur den Kopf schütteln. Wir, du und ich, für uns hat sich nichts geändert und leider ändert sich für viele MS-Betroffene danach auch nichts. Hier wäre unser Umfeld, unsere Gesellschaft gefragt – nach Corona, nach der Krise …

4. Ärzte und Therapeuten sind unsere Helden

Um das zu wissen, brauchen wir keine Krise. Wir haben uns die Helden nach der Diagnose gesucht und die meisten von uns sind sicher sehr dankbar dafür. Therapeuten, Psychologen und Neurologen. Wir werden aufgefangen, beraten, informiert, zurück recht gerückt und therapiert, wir werden umsorgt. Ich hoffe, du hast ebenfalls deine Helden im Alltag mit der MS? Wir sind krisenresistenter als andere, jedoch unsere Helden vielleicht nicht.

Denn sie arbeiten gerade während der Corona-Krise fast übermenschlich und kämpfen an vorderster Front. Da kommt mir wie schon so oft der Gedanke, dass dieser Personenkreis viel zu wenig verdient und ihre Arbeit nicht ausreichend vom Staat gewürdigt wird. Zu wenig Personal, zu wenig Pflegepersonal und zu viele Überstunden. Unsere Helden sollten endlich den Stellenwert in unserer Gesellschaft erlangen, die sie verdienen. Statt ungelerntes ausländisches Personal ins Land zu holen, muss an den Berufsbildern, den Gehältern und dem Pflegenotstand dringendst etwas geändert werden. Wartet unsere Regierung auf den Supergau? Anscheinend haben sich den Damen und Herren in Berlin immer noch nicht die Augen geöffnet. Da reicht anscheinend auch keine Pandemie. Mir schwillt der Hals und das nicht erst seit gestern. Wie siehst du das?

Auf jeden Fall bin ich sehr dankbar um meine Helden, bei denen ich etwas lerne, mich ausweinen darf, aufgefangen und behandelt werde. Unser Gesundheitssystem ist eine andere Geschichte.

5. Gelassenheit üben und mit sich ins Reinen sein

Wenn du bis dato noch nicht gelassen und ruhig bist, dann hast du derzeit in der Corona-Krise echt Gelegenheit dazu. Jedoch sind die meisten von uns mit den Jahren der Erkrankung geübt darin. Wie oft mussten wir uns eingestehen, wenn uns ein Schub oder eine Verschlechterung der MS–Symptome mal wieder ausgebremst hat, dass wir Ruhe bewahren müssen und gelassen bleiben. Genau in diesen Situationen können wir nichts mehr ändern, aber das DANACH spielt eine Rolle. Wie man damit umgeht und daraus lernt. Eine Richtungsänderung ist vielleicht eine Überlegung für dich. Mir hat sie jedenfalls sehr geholfen. Klar weiß ich, es ist nicht einfach, doch du musst es lernen. Es ist eine Überlebensstrategie, die ich gelernt habe und mir heute zugutekommt. Lerne deine MS zu akzeptieren, nur so und nicht anders. Da führt einfach kein Weg daran vorbei. Siehst du es ebenso wie ich?

In solchen Lebenssituationen hilft mir Yoga oder Feldenkrais. Aber auch ein Spaziergang in der Natur. Hier schöpfe ich unwahrscheinlich viel Kraft. Was hilft dir?

6. Geduld haben, nicht nur in der Krise

In Geduld üben lernt augenblicklich jeder in der Krise. Vielleicht können es Menschen mit einer chronischen Erkrankung besser? Geduld hatte ich früher nie und auch in den ersten Jahren nach der Diagnose ließ mich meine Ungeduld ständig straucheln. Doch ich lernte diese Tugend.

Heute bin ich viel ausgeglichener und geduldiger, dass ich schon gefragt wurde, ob mir alles egal sei. Nein, das ist Unfug aber man lebt einfacher und ruht mehr in sich. Nichtigkeiten werden zur Nebensache. Ich konzentriere mich auf das wesentliche und für mich wichtige. In der Ruhe liegt die Kraft, hat nun oberste Priorität. Ich schreie heute nicht bei allem hier und das packe ich irgendwie. Das ist Schnee von gestern. Ebenfalls vertraue ich auf meine inneren Stärken. Sollte mal eine Entscheidung sich als falsch herausstellen, dann ist es auch kein Beinbruch. Es gingen viele Jahre ins Land bis ich diese Einstellung bekam. 

Was nimmst du von meinen Impulsen heute mit?

Am Ende meines Artikels beantworte ich dir, ob ich krisenresistenter bin als andere. Ein klares Ja. Die Pandemie lässt mich nicht als angstvolles Häufchen Elend zurück. Meine MS hat mich geduldiger werden lassen und die brauchen wir alle in der Zeit von Corona, aber ebenso in jeder Krise. Jedes Dilemma wird und muss durchlebt werden. Ruhe bewahren kann man lernen, denn unüberlegte Handlungen schaden dir und mir. Mit Geduld an eine Sache herangehen, hilft dir. Auch in einer Krise oder gerade dann. Denn von außen auf dich einwirkende Dinge kannst du nur bedingt ändern. Versuche Kraft in der Zwischenzeit zu tanken. Lenke dich ab, darin bist du doch geübt. Gerade im Augenblick aus deiner Isolation auszubrechen, funktioniert nicht. Verschiebe es auf die Zeit nach der Krise.

Bist du krisenrestenter als andere? Was meinst du? Schreibe mir gerne deine Gedanken oder Ideen für Krisenzeiten. Was hat sich für dich bewährt?

Bleibe gesund!

Deine

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Nicht die Menschen, die immer gewinnen sind die Stärksten,

sondern die die niemals aufgeben.

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11 Kommentare

  • Antworten Podcast #040 - Interview mit MS-Patientin Caroline Régnard-Mayer 24. August 2020 at 23:31

    […] Meine 6 Impulse zur Krankheitsbewältigung mit MS in der Krise […]

  • Antworten Elisa Stangl 22. April 2020 at 14:54

    Liebe Caro,
    ein sehr schöner und ehrlicher Beitrag von dir! Ich denke auch, dass ein Großteil der Bevölkerung durch unsere Gesellschaft verwöhnt ist. Auf Party und Reisen zu verzichten ist bestimmt nicht zu viel verlangt. Tatsächlich sind allerdings viele Familien, die in ihrer Wohnung eingeschlossen sind, die Großeltern und Freunde der Kinder nicht sehen können, plötzlich Lehrer spielen müssen, da die Schulen geschlossen sind und trotzdem Stoff erarbeitet werden muss, von der aktuellen Situation betroffen. Dadurch kommt es leider auch vermehrt zu Konflikten innerhalb der Familie. Das entschuldigt kein Verhalten und ich persönlich sehe die momentane Lage eher als Chance für eine gesellschaftliche Verbesserung! Hoffen wir das beste für die Zukunft!
    Alles Liebe, Elisa

    • Antworten frauenpowertrotzms 22. April 2020 at 15:27

      Liebe Elisa,
      sehe es wie du… Viele Eltern sind überfordert und leider leiden gerade so viele Kinder in Familie, wo Gewalt und Missbrauch herrschen. Das tut weh zu wissen. Auch ich wohne in einer kleinen 2 Zimmer Wohnung ohne Balkon. Mein Sohn ist seit über 5 Wochen da weil die Uni geschlossen ist. Aber es macht uns nichts aus. Die Pandemie zu bekämpfen ist jetzt wichtiger und viel zu früh aufgehoben worden. Nur mache Kinder und Familie ist es natürlich jetzt ein Segen.
      Hoffe auch sehr dass ein kleiner Teil der Gesellschaft sich verändern wird.
      Liebe Grüße Caro

  • Antworten Dr. Annette Pitzer 20. April 2020 at 09:29

    Wie recht Du hast, planbar ist nichts im Leben. Leider spielen wir aber das Kontrollspiel und dann wirft uns die „Krise“ (welche auch immer) aus der Bahn. Leben ist heute! Auch ich habe durch meinen Beruf und meine eigene Geschichte eine hohe Resilienz entwickelt.
    Alles Liebe
    Annette

  • Antworten Bettina Halbach 19. April 2020 at 22:27

    Liebe Caro, vielen Dank für deine Praxistipps zur Krankheitsbewältigung bei MS. Ein toller Artikel. Ich glaube, dass jeder seinen Weg finden muss. Ruhe bewahren statt unüberlegter Handlungen ist der Tipp, den ich mir mit nehme, wenn du eilig bist, gehe langsam 🙂 liebe Grüße Bettina

    • Antworten frauenpowertrotzms 20. April 2020 at 10:37

      Liebe Bettina,
      der letzte Satz muss ich mir merken. Ruhe bewahren, abwarten und dann den nächsten Schritt. Überlegt und nicht kopflos… Für viele eigentlich wichtig.
      Liebe Grüße Caro

  • Antworten Corinna Filipp 19. April 2020 at 13:12

    Liebe Caro, Deine Worte sind ein Volltreffer. Ich habe an so vielen Stellen geschmunzelt, mit dem Kopf genickt.
    Den Vorwurf, mir sei alles egal und ich soll mich doch bitte mal aufregen, den Frust rauslassen, kenne ich auch.
    Aber über Dinge, die ich nicht beeinflussen kann, rege ich mich nicht mehr auf. Ich muss mir meine Energie einteilen, darf sie nicht vergeuden.
    Natürlich hadere ich immer noch mit meiner ausgeprägten Fatigue, weil sie mich so ausbremst. Sie hat aus mir “Hans Dampf in allen Gassen” einen Zen-Mönch gemacht. Aber ich werde immer besser im Umgang (nach 16 Jahren) und kann die vielen Stunden des “Nichts tun können” einfach akzeptieren, Musik hören, mit den Katzen schmusen , auf dem Balkon sitzen, oder schlafen, wenn absolut nichts geht. Immerhin habe ich eine schöne Wohnung, jeden Tag zu essen, medizinische Versorgung, obwohl ich seit 14 Jahren voll berentet bin.
    Ich wünsche Dir einen schönen Sonntag!

    • Antworten frauenpowertrotzms 19. April 2020 at 13:54

      Liebe Corinna,
      es freut mich sehr dass du hier kommentierst. Auch dass du verstehst und wir die selbe Sichtweise haben. Wir lassen uns nicht mehr von anderen in die Knie zwängen und das ist gut so. Ei. Prozess den hoffentlich viele von uns früher oder später erreichen sollten. So fühlt es sich gut an.
      Alles Liebe und viele Grüße Caro

  • Antworten Nadja Steinbeißer 19. April 2020 at 10:20

    Liebe Caro,
    Bravo 👏👏 wieder ein wunderbarer Beitrag von Dir!
    Ja momentan muß ich schon oft schmunzeln, wenn ich Bekannte hörte, die sich über die Ausgangsbeschränkung, die Isolation etc. Beklagten und mich dann fragten, wie das für mich ist – tja für mich hat sich nicht viel geändert, ich war auch zuvor aufgrund verschiedener Einschränkungen nicht mehr viel unterwegs! Ich denke ich bin krisenresistent, natürlich haben mich die Bilder aus Bergamo etc erschüttert, aber ich hatte keine Angst!
    In einer Krisensituation gehe ich in meinen Garten, ich liebe die Natur, die Ruhe, meine Tiere tun dann das übrige!
    Liebe Caro, danke für Deinen tollen Beitrag! Pass auf Dich auf
    Liebe Grüße
    Nadja

    • Antworten frauenpowertrotzms 19. April 2020 at 12:41

      Liebe Nadja,
      als erstes herzlichen Dank dass du hier so oft kommentierst und mich besuchst.
      Ich freue mich dass du eine ähnliche Einstellung wie ich hast. Leider zwingt uns die MS zu so einem Leben, wobei ich immer noch überzeugt bin, dass wir gut damit leben… Mal mehr, mal weniger, aber das geht ja jedem Menschen so.
      Bleibe gesund und genieße weiterhin den schönen Frühling.
      Liebe Grüße Caro

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